Mattia Maccarelli
Deutschlandstipendiat von 2019 bis 2022
Der italienische Saxophonist Mattia Maccarelli (33) erhielt seine erste Musikausbildung mit sechs Jahren auf dem Klavier und dann später auf der Klarinette in der städtischen Blaskapelle von Passignano sul Trasimeno. Mit 14 Jahren wechselte er zu seinem Wunschinstrument, dem Saxophon.
2004 begann Mattia Maccarelli das Studium des klassischen Saxophons am Conservatorio di Musica „Francesco Morlacchi“ di Perugia in Umbrien, seiner Heimat. Parallel absolvierte er einen Bachelor in Fremdsprachlichen Philologien an der der Universitá degli Studi di Perugia, zog 2009 nach Berlin und schloss 2012 hier sein Masterstudium in Europäischen Literaturen an der Humboldt-Universität zu Berlin ab. 2016 nahm er sein Saxophonstudium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin wieder auf und studiert aktuell im 7. Semester im Bachelor bei Johannes Ernst.
In seinem Studium an der HfM konzentriert er sich auf kammermusikalische und solistische Projekte. Er engagiert sich in Berlin und Brandenburg auch ehrenamtlich und ist als Musiker sehr aktiv, besonders in der Kirchenmusik.
Mattia Maccarelli ist Preisträger internationaler Wettbewerbe, er gewann zuletzt erste Preise beim 16° Concorso internazionale per giovani musicisti „Luigi Zanuccoli“ (Sogliano del Rubicone, 2018) und beim 17° Concorso Internazionale di Esecuzione Musicale „Premio Città di Padova“ (Padua, 2019).
Mit diesem Studienjahr beginnt Ihr Abschlussjahr im Bachelorstudium. Was haben Sie danach vor?
Es wäre sehr schön, weiter studieren zu können. Als ich hier angefangen habe, dachte ich, vier Jahre wären ein sehr langer Zeitraum. Aber die Zeit ging so schnell vorbei und ich könnte noch so viel mehr mitnehmen und lernen, sowohl auf meinem Instrument, als auch beispielsweise kammermusikalisch. Deswegen würde ich auf jeden Fall einen Master machen, wenn ich einen Studienplatz bekomme und die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind.
Die andere Option wäre direkt zu arbeiten, falls ich eine Orchesterstelle bekomme. Es gibt nur sehr wenige Stellen für Saxophonist*innen und meistens sind diese keine vollen Stellen, sodass man die Stelle beispielsweise durch eine Lehrtätigkeit oder auch eigene Projekte ergänzen muss oder besser: ergänzen kann. Die Orchesterlandschaft verändert sich und im Laufe der Zeit ist es immer selbstverständlicher geworden, dass Saxophone in Orchestern präsent sind. Unabhängig davon, ob ich weiter studieren werde oder nicht, ist eine Orchesterstelle auf jeden Fall mein großes Ziel.
Wie und wo verorten Sie sich und wohin möchten Sie?
Als ich angefangen habe Saxophon zu spielen, wusste ich noch sehr wenig über die Berufsrealität. Erst später habe ich herausgefunden, dass es uns im Orchester eigentlich gar nicht richtig gibt. Das war ein Schock für mich und einer der Gründe, weshalb ich auch etwas Sorgen hatte, ob es sinnvoll ist, Saxophon zu studieren. Andererseits habe ich schon viele Musiker*innen kennengelernt, die das Orchesterziel erreicht haben und trotzdem nicht ganz erfüllt sind davon. Angenommen ich bekomme eine Stelle in einem Orchester, wäre es mir sehr wichtig, weiterhin eigene Projekte zu verfolgen.
Mit eigenen Projekten meine ich kammermusikalische, beispielsweise Saxophonduo oder Saxophon und Orgel. Das Saxophon kann wie ein weiteres Register der Orgel funktionieren und beides klingt schön zusammen. Bei solchen Projekten hätte ich die Möglichkeit, meine Persönlichkeit und mein „Ich“ zu entfalten.
Die Entscheidung nach meinem Bachelor und Master in Literaturwissenschaft das Saxophonstudium wiederaufzunehmen, habe ich getroffen, um etwas für mich selbst zu machen. Wenn ich im Leben viel Geld verdienen wollte, hätte ich mit Sicherheit etwas anderes machen sollen. Aber als mir aus persönlichen Gründen klar wurde, dass ich nur dieses eine Leben habe, habe ich beschlossen, ich mache das, was mir wirklich gefällt.
Sie haben bereits sehr erfolgreich einen Bachelor in Fremdsprachliche Philologien an der Staatlichen Universität zu Perugia und einen Master in Europäische Literaturen an der Humboldt-Universität zu Berlin absolviert. Inwiefern beeinflusst Ihr vorheriges Ihr jetziges Studium?
Ich hinterfrage viel mehr und ich betreibe sehr viel Recherche über die Stücke, die ich spiele, und über die Komponist*innen. Oft sind Gedichte in Stücken verarbeitet. Ich habe die Mittel erlernt, sie zu analysieren und zu begreifen. Ich betrachte Texte, die häufig gemeinsam mit der Musik erscheinen, als Teil eines Ganzen. Ich habe Literatur und Musik nie als etwas Entferntes gesehen, sondern lediglich als unterschiedliche künstlerische Erscheinungsformen. Ich sehe insofern keinen Bruch beziehungsweise Widerspruch in meinem künstlerischen Werdegang als solchem, sondern eher eine gegenseitige Bereicherung.
Sie arbeiten sehr intensiv mit dem Berliner Dom bzw. der evangelischen Kirchengemeinde zusammen. Wie sieht die Zusammenarbeit aus, was machen Sie dort?
Als ehrenamtlicher Mitarbeiter gebe ich sowohl in der Kirche als auch in der Gruft Führungen und mache das mit Leidenschaft. Als ich die Aufnahmeprüfung an der Eisler bestanden habe, wurde mir im Dom auch ein Job an der Eintritts- und Konzertkasse angeboten, den ich seither ausübe und der mir, musikalisch gesehen, viele Türen geöffnet hat.
Sie haben mehrmals Gedenkfeiern im Rahmen der Verlegung von Stolpersteinen für Opfer des Nazi-Terrors musikalisch begleitet. Wie gehen Sie die musikalische Gestaltung einer solchen Veranstaltung an?
Ich versuche etwas sehr Rundes zu liefern und nur Stücke von jüdischen Komponist*innen zu spielen, die auch deportiert und ermordet wurden. Sofern ein Stück nicht von einem jüdischen Komponisten beziehungsweise. einer jüdischen Komponistin stammt, so sollte es jedoch jüdischen Inhalt besitzen.
Bei einer Gedenkfeier bin ich nur da, um die Worte zu unterstützen, es geht nicht um mich. Die Musik soll in die richtige Stimmung versetzen, zur Reflexion einladen und schließlich auflockern und befreiend wirken. Es ist ein schönes Gefühl, diese Veranstaltungen mitzugestalten und es ist für mich eine Ehre, wenn den Opfern wieder eine Identität gegeben wird und ich dazu beitragen kann, dass an sie gedacht wird.
Wobei hilft Ihnen das Deutschlandstipendium konkret?
Ich musste bisher mein Studium alleine finanzieren. Das war sehr hart. Jetzt habe ich wirklich die Möglichkeit, mich ganz intensiv auf das Studium zu konzentrieren. Zu wissen, dass jemand an mich und meine Fähigkeiten glaubt, hat zur Folge, dass ich mir noch mehr Mühe gebe. Konkret muss ich mir weniger finanzielle Sorgen machen und nicht mehr so viel arbeiten wie zuvor. Außerdem kommen auch zusätzliche Kosten auf mich zu, wie für ein neues Instrument, Instrumentenzubehör, -wartung und Noten, und dabei hilft mir das Stipendium ebenfalls.
(Stand: Oktober 2019)